PÄIKESEAEG

In einer leeren Landschaft verbrennt ein junger Mann Nadelzweige. Drei Kinder fahren mit ihren Schlitten zwischen den schneebedeckten Bäumen hindurch. In einem dunklen Zimmer sitzt eine Frau auf dem Bett und übt hingebungsvoll und hochkonzentriert das Ziehharmonika-Spiel. Es sind Aufnahmen von alltäglichen Dingen, notwendigen Arbeitsabläufen und unscheinbaren Gesten, die der Film mit wenig Dialog und noch weniger Kontext in aller Ruhe und statischen Bildern einfängt. Die intensiven Beobachtungen und die sorgsam ausgewählten, märchenhaft anmutenden Naturaufnahmen verschmelzen mit kraftvollen Umgebungsgeräuschen und sanften Hintergrundklängen zu einem romantisch-sehnsüchtigen Bildergedicht, in dem alles kalt, rau und kräftezehrend wirkt – und zugleich richtig. Im gemäßigten Metrum der betrachteten Lebensrealitäten schreitet es fast distanzlos an die Menschen heran und lässt sie dennoch gänzlich im Verborgenen. In ihrem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm erzeugt die Produzentin, Regisseurin und Editorin Liis Nimik ein Gefühl des Zusammenklingens zwischen dem menschlichen Dasein, der Natur, den Jahreszeiten und den Elementen und bettet es in filmische Nostalgie und Sehnsucht. “Sometimes I long for how they were” steht zu Beginn des Films – und nicht weniger an dessen Ende.

Text: Merlin Webers

SA 08.11. I 10:00 I KAMMERBÜHNE I OmeU + dt. Übersetzung