FRIEDENFLECHTEN: MIROTVORAC

Es sind Aufnahmen kurz nachdem die Schüsse nahe Tenja gefallen sind: Zeug*innen berichten unter Tränen, ein Polizist versucht, den chaotischen Stand der Dinge zu fassen, während im Hintergrund Einsatzwagen vorbeirasen. An einer Straßensperre wurde ein Auto mit Kugeln durchsiebt – darin saß auch Reihl-Kir.

Der Film nimmt diesen Moment als Ausgangspunkt, um die letzten Monate seines Lebens nachzuzeichnen und untersucht die Umstände, die zu seinem Tod führten. Mit dem Erstarken der noch jungen und nationalistischen Partei HDZ in Kroatien unter dem späteren Staatspräsidenten Franjo Tuđman wachsen die Feindseligkeiten gegen die serbische Bevölkerung, von der sich wiederum viele den radikal-nationalistischen Tschetniks angeschlossen haben. Von beiden Seiten wird provoziert und mobilisiert: feindliche Angriffe werden inszeniert, um Gegenschläge zu rechtfertigen, Barrikaden und Straßensperren werden errichtet, Anschläge auf serbische Geschäfte verübt, die Medien gießen Öl ins Feuer. Zwischen den Fronten: Josip Reihl-Kir, Vermittler mit unerschütterlichem Glauben an friedliche Lösungen und viel diplomatischem Geschick. Immer wieder gelingt es dem Polizeichef in Verhandlungen mit Serb*innen, dass Barrikaden abgebaut und Waffen abgegeben werden. Sie vertrauen ihm. Doch mit zunehmendem Einfluss der paramilitärischen kroatischen Brigaden unter Branimir Glavaš und der Unterstützung Serbiens durch die Jugoslawische Volksarmee eskaliert der Konflikt weiter. Kir wird in den Augen vieler Kroat*innen zum Volksverräter – der sein Schicksal vorausahnt.

Mit seltenem Archivmaterial und Interviews mit Zeitzeug:innen – darunter Kirs Ehefrau und ehemalige Weggefährten – zeichnet der Film das Porträt eines Mannes, der für Verständigung stand und um friedliche Lösungen rang. Er deckt die Umstände eines Attentats auf, das auch heute noch Fragen aufwirft. Dabei widmet sich Regisseur Ivan Ramljak wie seinen vorherigen Filmen auch der kroatischen Gesellschaft und Geschichte und entwirft ein Bild der Nation an einem historischen Scheideweg, welches ihm zahlreiche Preise kroatischer Filmfestivals einbrachte.

Text: Merlin Webers

DO 06.11. I 14:30 I KAMMERBÜHNE I OmeU + dt. Übersetzung

Panel: FRIEDENFLECHTEN & FILM. 30 Jahre Erfahrungen aus Südosteuropa
Kammerbühne, Fr 07.11. | 18:30 Uhr