Sektion: Spectrum

FRIEDENFLECHTEN: SNIJEG

FRIEDENFLECHTEN: SNOW

Aida Begić
BA, 2008, 100 Min

In Slavno, einem Dorf im Osten Bosniens, hat der Krieg nur noch sechs Frauen, einen alten Mann und fünf Kinder übriggelassen. Der Rest ist vermisst. Wie geht man um mit der Trauer über das Verschwinden seiner Angehörigen und Nachbarn, wie mit der Zeit, die trotzdem weiterrennt? Feinfühliges Portrait der Übriggebliebenen zwischen Trauma und Neuanfang.

#drama #landscape #femalevoices
FFC(C)

Performance

2025-11-06 | 16:30 Uhr
Kammerbühne

In Aida Begićs 2008 mit ruhiger Hand inszeniertem Spielfilmdebut sprechen die Bilder, ohne zu groß zu sein für die Geschichten, die sie erzählen, während die Protagonisten im gestischen Miteinander mit sich und dem Zuschauer zusammenkommen. Die Gesichter, die sie zeigt, sind hart, lassen eine Angespanntheit erkennen, deren Nuancenreichtum das Schauspieler:innenensemble mit verhaltener Bravour ausspielt. SNOW beschreibt diese Anspannung mit ruhigen Bildern und entwickelt den Handlungsfaden mit einer organischen Dramaturgie, die ohne Gewaltmetaphorik und große Worte auskommt, aber tief in die Landschaft eintaucht.

Begić siedelt ihr Szenario in der wunderschönen Berglandschaft Ostbosniens an. Die Hänge sind vom Lindgrün der Bäume überzogen, von der Moschee aus überblickt man das weite Tal, aus dem Brunnen fließt kristallklares Wasser, die Fauna gibt den Dorfbewohnerinnen genug Früchte, um daraus, durchaus ökologisch, Marmelade, Paprikapaste und Kompott zu produzieren. Doch in den Wäldern liegen die Minen, das Gotteshaus ist zerstört, statt Dächern schützen zerfetzte UN-Planen die Bewohner der zerschossenen Häuser vor Regen, und auf der Straße kommt kaum jemand vorbei, um den Frauen ihr Eingemachtes abzukaufen. Ab und an taucht ein Erinnerungsstück auf, die Brille des vermissten Ehemannes etwa, deren Fund Hoffnung und Verzweiflung gleichermaßen weckt. SNOW taucht tief ein in dieses abgeschiedene Dasein einer traumatisierten Dorfgemeinschaft, in eine Poesie der Gegensätze: hier die Reinheit der Natur, in denen sich die größten Kriegsverbrechen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa zugetragen haben, dort die zerklüfteten Seelenlandschaften, die diese Kriege hinterlassen haben.

Als ein internationaler Investor das Gelände kaufen will, kommt es dann doch zum Konflikt. Die französischen Hintermänner schicken einen serbischstämmigen Nachbarn als Unterhändler, einer, der die Sprache spricht, aber auch einer, den sie dort im Dorf kennen. Einer, der wahrscheinlich dabei war, als die Soldaten und Milizen zur ethnischen Säuberung hier einfielen. Vielleicht aber auch nicht - Begić will nicht abrechnen, zeigt stattdessen, wie Verdrängtes wieder hochkommt und Zorn. Und erneut die Erfahrung der Wehrlosigkeit, diesmal gegenüber den Europäern mit dem Geldsäckel, die den Serben aus dem Nachbardorf schicken, der zum zweiten Mal kommt, um das Terrain zu säubern.

Doch am Lebensrhythmus dieser Dorfgemeinschaft scheitern Geldgeber und Unterhändler gleichermaßen. Kollektive Erfahrung und Überlebensdruck haben eine Einheit geschweißt, die auch mit billigen Intrigen nur kurzzeitig zu zerstören ist. Am Ende bekommen die Frauen eine Antwort auf die Frage, wohin man ihre Angehörigen verschleppt und getötet hat. Eine Gewissheit, immerhin. Der Schnee, der jetzt fällt, deckt fast versöhnlich seinen weißen Mantel über Vergangenheit und Gegenwart.

Text: Bernd Buder auf Basis einer eigenen Filmkritk im „Filmdienst“ vom 10.12.2009

 

DO 06.11. I 16:30 I KAMMERBÜHNE I OmeU + dt. Übersetzung
(Vorfilm: THE DIVIDED CITY OF MITROVICA)

 

Panel: FRIEDENFLECHTEN & FILM. 30 Jahre Erfahrungen aus Südosteuropa
Kammerbühne, Fr 07.11. | 18:30 Uhr

Drehbuch
Aida Begić, Elma Tataragic
Kamera
Erol Zubcevic
Ton
Franck Burbenzer
Schnitt
Miralem S. Zubcevic
Ausstattung
Vedran Sabanovic
Musik
Igor Camo
Darsteller
Zana Marjanovic, Jasna Ornela Bery, Sadzida Setic, Vesna Masic, Emir Hadzihafizbegovic
Produzent
Elma Tataragic
Produktion
Mamafilm

Aida Begić -

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